Habt ihr euch jemals gefragt, was den Unterschied zwischen einem Reiter und einem wahren Pferdemenschen ausmacht? Ist es nicht das tiefe Verständnis, die Fähigkeit, die Welt aus den Augen eures Pferdes zu sehen?
Oftmals stecken wir viel Herzblut in das Training, lesen Bücher, schauen Videos und folgen Ratschlägen, doch manchmal scheint es, als würden wir an einer unsichtbaren Barriere scheitern. Euer Pferd kommt nicht auf der Weide zu euch, scheut immer wieder an derselben Stelle in der Reithalle oder zeigt Widerstand. Und dann kommt dieser nagende Zweifel: Mache ich etwas falsch? Ist mein Pferd stur? Oder liegt es an mir?

Vielleicht kennt ihr auch das Gefühl, von anderen Reitern verurteilt zu werden, weil ihr nicht hart genug durchgreift. Aber tief in eurem Inneren spürt ihr, dass es einen anderen Weg geben muss – einen Weg, der auf Verbindung statt auf Zwang basiert.
Das Problem liegt oft in der traditionellen Ausbildung.
Viele Reiter kämpfen, nicht weil sie unfähig sind, sondern weil in traditionellen Trainingsmethoden die Perspektive des Pferdes vernachlässigt wird. Wir lernen Techniken, bevor wir zuhören, und bekommen Werkzeuge, bevor wir beobachten.
Was wäre aber, wenn wir die Pferdeausbildung anders angehen würden? Was, wenn wir aufhören würden, unsere Pferde zu etwas zu zwingen, und stattdessen eine Beziehung aufbauen, in der sie von sich aus mitarbeiten wollen?
Tik Maynards stellt seine Ideen in „Four Building Blocks to Better Horsemanship“ auf NF+ vor. Es geht darum, die Pferde wirklich zu sehen, zu hören und zu verstehen, um eine Partnerschaft aufzubauen.
Weil mir sein Ansatz und erklärungen so gut gefallen haben, hab eich versucht sie für euch zusammenzufassen und zu übersetzen. Fühlt euch aber frei das Original zu lesen wenn ihr möchtet :)
Die vier fundamentalen Bausteine sind: Beobachtung, Kommunikation, Motivation und Spiel. Lasst uns diese genauer betrachten, zusammen mit den Herausforderungen, denen sich viele Reiter stellen müssen, und wie diese Prinzipien einen Ausweg bieten können.
1. Beobachtung: Sehen lernen, bevor wir handeln
Die Herausforderung: Ihr kommt voller Vorfreude zum Stall, aber euer Pferd teilt eure Begeisterung nicht. Es ist abgelenkt, reagiert nicht oder ist angespannt – und ihr wisst nicht warum. Liegt es an euch? Am Pferd? Oder überseht ihr etwas?
Der Perspektivwechsel:
"Es gibt kein Limit, wie gut wir darin werden können, ein Pferd zu beobachten. In dem Moment, in dem wir denken, wir hätten alles gelernt, hören wir auf, die subtilen Dinge zu sehen, die wirklich wichtig sind." – Tik Maynard
Die meisten von uns haben nie gelernt, innezuhalten und unser Pferd wirklich wahrzunehmen, bevor wir etwas von ihm verlangen. Doch die Beobachtung ist der Ausgangspunkt von allem.
Wie die Beobachtung alles verändert:
- Ihr erkennt die kleinen, subtilen Signale, die euer Pferd gibt, bevor sie sich zu Anspannung oder Widerstand entwickeln.
- Ihr lernt, eure Pferde dort abzuholen, wo sie gerade sind, anstatt zu erwarten, dass sie sich euren Vorstellungen anpassen.
- Ihr baut Vertrauen auf, weil euer Pferd spürt, dass es gehört wird, bevor es aufgefordert wird.
Probiert Folgendes aus:
Bevor ihr zum Strick greift oder den Gurt enger zieht, beobachtet einfach. Achtet auf die Atmung, die Ohren, die Art, wie das Pferd sein Gewicht verlagert. Was verrät es euch darüber, wie es sich heute fühlt?
2. Kommunikation: Vom Befehl zur Unterhaltung
Die Herausforderung: Ihr führt alle Übungen aus, die ihr gelernt habt. Ihr fordert einen Übergang, eine Wendung, eine Bewegung. Euer Pferd macht es, aber es fühlt sich roboterhaft und unverbunden an. Oder es macht es nicht, und ihr fragt euch, was ihr falsch macht.
Der Perspektivwechsel:
"Die wahre Kunst ist nicht, ein Pferd zu etwas zu zwingen, sondern zu erkennen, ob es versteht oder nur aus Stress reagiert." – Tik Maynard
Oft denken wir, wir kommunizieren, wenn wir in Wirklichkeit nur Befehle geben. Wahre Kommunikation bedeutet, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.
So baut ihr echte Kommunikation auf:
- Gebt eurem Pferd Raum zum Nachdenken und Reagieren, anstatt es zu kontrollieren.
- Achtet auf „Den Blick“ – den Moment, in dem euer Pferd von Gehorsam zu Neugier wechselt.
- Nutzt Druck und Nachgeben so, dass Vertrauen entsteht, nicht Verwirrung oder Angst.
Probiert Folgendes aus:
Wenn ihr euer Pferd das nächste Mal um etwas bittet, fragt zuerst sanft – nur ein Gedanke, eine leichte Energieveränderung. Wenn es nicht reagiert, erhöht den Druck allmählich, aber achtet darauf, wann es versteht. Reagiert es auf die erste Phase? Oder braucht es mehr?
Verfeinert dann eure Kommunikation. Wiederholt die Bitte einige Male und strebt eine immer leichtere Reaktion an. Achtet auf „Den Blick“ – den Moment, in dem euer Pferd mitdenkt, nicht nur reagiert. Das Ziel? Eine ruhige, klare Unterhaltung, in der ein Flüstern genügt.
3. Motivation: Warum euer Pferd mehr als nur Gehorsam braucht
Die Herausforderung: Euer Pferd folgt euren Anweisungen, aber ohne Begeisterung. Die Bewegungen wirken kraftlos, der Ausdruck ist leer und es scheint nur das Nötigste zu tun. Es leistet keinen Widerstand, ist aber auch nicht wirklich engagiert. Erduldet es die Arbeit nur, anstatt mitmachen zu wollen?
Der Perspektivwechsel:
"Ein Pferd, das sich sicher fühlt, kann lernen. Angst blockiert das Verständnis – Sicherheit öffnet die Tür zur Motivation." – Tik Maynard
Die meisten Trainingsmethoden basieren auf Druck und Nachgeben, aber Motivation bedeutet mehr als nur das Vermeiden von Unbehagen. Es geht darum, zu verstehen, was euer Pferd dazu bringt, sich engagieren zu wollen.
So schafft ihr Bereitschaft statt Widerstand:
- Erkennt den Unterschied zwischen Erdulden und echter Akzeptanz.
- Versteht, wie Angst, Neugier und Belohnung die Reaktionen eures Pferdes beeinflussen.
- Nutzt positive Verstärkung und Spiel, um das Training von einer Pflicht in eine Partnerschaft zu verwandeln.
Probiert Folgendes aus:
Findet heraus, was euer Pferd aufhorchen lässt – Kraulen an einer Lieblingsstelle, eine Ruhepause, eine Belohnung. Baut dies in das Training ein und beobachtet, wie sich seine Begeisterung verändert.
4. Spiel: Die fehlende Zutat im Training
Die Herausforderung: Das Training fühlt sich wie eine Routine an. Ihr geht den Prozess durch, fragt euch aber, ob ihr das Gefühl der Freude verloren habt, das euch einst in Pferde verlieben ließ.
Der Perspektivwechsel:
"Die besten Einheiten sind die, in denen man aufhört, perfekt sein zu wollen, und anfängt, Harmonie zu finden. Spiel lebt in dem Raum zwischen Struktur und Spontaneität." – Tik Maynard
Wir vergessen oft, dass Spielen für Pferde natürlich ist. Es ist die Art, wie sie Bindungen eingehen, lernen und wachsen. Wenn wir das Spiel ins Training einbeziehen, bringen wir Leichtigkeit, Neugier und Verbindung zurück in unsere Arbeit.
So integriert ihr das Spiel in euer Training:
- Passt eure Energie an: Ändert eure Bewegung und Absicht, um die Neugier eures Pferdes zu wecken.
- Gestaltet das Spiel persönlich: Manche Pferde lieben die Freiheit, andere bevorzugen es, gekrault zu werden – findet heraus, was euer Pferd begeistert.
- Hört auf, zu viel nachzudenken: Seid präsent, hört zu und reagiert – Spiel entsteht, wenn ihr loslasst.
Probiert Folgendes aus:
Baut beim nächsten Training einen Moment des spontanen Spiels ein. Versteckt eine Karotte auf einem Sprung, lasst euer Pferd sich vom Führstrick befreien, oder bringt es dazu, ein Ziel zu berühren. Beobachtet, wie sich seine gesamte Energie verändert.
Partnerschaft entsteht nicht durch Zwang, sondern wird verdient – ein Moment, ein Gefühl, ein Nachgeben nach dem anderen.
Um eine willige und engagierte Partnerschaft aufzubauen, braucht es nicht mehr Technik oder härtere Methoden. Der Schlüssel liegt im Verständnis.

Fazit: Ein Weg zur tieferen Verbindung
Die vier Bausteine von Tik Maynard sind keine Trainingsmethode, sondern eine Einladung, die Beziehung zu eurem Pferd auf einer tieferen Ebene zu verstehen und zu gestalten. Beobachtung, Kommunikation, Motivation und Spiel sind keine isolierten Konzepte, sondern eng miteinander verwoben. Indem ihr lernt, euer Pferd aufmerksam zu beobachten, seine Signale zu verstehen und auf seine Bedürfnisse einzugehen, schafft ihr eine Basis des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung. Dies wiederum ermöglicht eine Kommunikation, die auf Verständnis statt auf Zwang basiert. Motivation und Spiel sorgen dafür, dass das Training nicht zur Pflicht, sondern zur freudvollen Interaktion wird.
Die Reise zu einer solchen Partnerschaft mag anfangs herausfordernd erscheinen, doch sie ist lohnenswert. Denn am Ende geht es nicht nur darum, ein gehorsames Pferd zu haben, sondern einen Partner, der mit Freude und Begeisterung an eurer Seite ist.
Wenn ihr euch eine begleitung auf dieser Reise wünscht kontaktiert mich gerne!
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