Platzmuffel motivieren

Veröffentlicht am 21. April 2024 um 10:53

Auf dem Reitplatz möchte das pferd einfach nicht gerne vorwärts gehen? Im Gelände läuft es aber eigentlich ganz gut? Ich erkläre euch wie ihr euer Pferd auf dem Reitplatz zu mehr mitarbeit motivieren könnt.

Das Reiten auf dem Platz oder in der Halle empfinden viele Menschen und auch Pferde als eher langweilig und eintönig. Oft wollen wir Reiter aber trotzdem in der Lage sein unser Pferd auch mal im Viereck zu reiten. Ich erkläre euch, wie ich vorgehen würde anhand unseres Beispielpferdes Rocky. Rocky ist ein mittelalter Kaltblut Mix. Er führt ein gemütliches Leben im Offenstall, wird regelmäßig am Boden gearbeitet und geht ruhig Ausreiten. Auf dem Reitplatz möchte er so gar nicht laufen. Wir gehen jetzt einmal davon aus, dass das Pferd keine traumatischen Erfahrungen gemacht hat und auch keine Schmerzen hat. (In diesen beiden Fällen wäre das Vorgehen ein Anderes)

 

Zunächst sollten wir für unser Pferd herausfinden, was es auf dem Platz gerne macht (grüne Zone), was es so lala findet und gerade noch tut (gelbe Zone) und ab wann es anfängt sich zu wehren und auf "durchzug zu schalten" (rote Zone).

Für unseren Rocky sieht das so aus:

Grüne Zone: stehen, am Hals gekrault werden, durchparieren

Gelbe Zone: Schritt gehen auf großen Linien, eine halbe Bahn traben, abwenden, rückwärts richten

Rote Zone: Einheiten > 20 Minuten, Galopp, enge Wendungen, viele Übergänge

 

Übungen die zur roten Zone gehören machen wir in unseren Einheiten gar nicht. Ein großer Teil der Einheit besteht aus Übungen der grünen Zone, abwechselnd mit Zone gelb. Immer wenn etwas aus Gelb gut gemacht wurde kommt als nächstes eine Lektion aus Grün.

Für unseren Rocky bedeutet das, dass er zunächst auf dem Platz viel stehen und Schritt gehen wird, aber das macht nichts. Unser Pferd soll positive Erfahrungen machen "Arbeit auf dem Platz ist nicht schlimm", Erfolgserlebnisse haben (wenn er länger oder fleißiger trabt als gestern ist das ein Erfolg und ein Lob wert) und dabei dehnen wir ganz langsam unsere Zonen aus. Wir müssen immer wieder neu evaluieren welche Übung in welche Zone gehört. In 2 Wochen könnten unsere Zonen dann so aussehen:

Grüne Zone: stehen, am Hals gekrault werden, durchparieren, Schritt gehen auf großen Linien ca 2 Runden, eine halbe Bahn traben

Gelbe Zone: Schritt gehen auf großen Linien lange, eine ganze Bahn traben, abwenden, rückwärts richten, Schenkelweichen

Rote Zone: Einheiten > 25 Minuten, Galopp, enge Wendungen, viele Übergänge

 

Warum lassen wir unser Pferd nichts aus der Roten Zone machen? Mit etwas Gerte bekommt man den schon in den Galopp, oder? Ja, das würde man wohl. Aber dabei würde für unser Pferd Stress und evtl. Schmerz entstehen. Es verbindet den Reitplatz dann wieder mit etwas unangenehmen und genau das wollen wir ja verhindern! Deshalb spielen wir beim Aufbau immer mit Zone grün und gelb im Wechsel. Grün dient dann quasi als Belohnung für Gelb, und Gelb erreichen wir ohne übermäßig Stress und Druck. Außerdem wird so eine Lektion aus Gelb eine Ankündigung für Grün.

 

Variante Pylonen für mehr Strecke:

Zusätzlich könnte man optische Hinweise für das Pferd einsetzen. Wenn wir Rocky zum Beispiel beibringen wollen länger am Stück zu laufen. Zu Beginn stellen wir 4 Pylonen in der Bahn auf. Bei jeder Pylone wird durchpariert (Zone Grün) und dazwischen machen wir etwas aus Zone Gelb. Sobald Rocky das System verstanden hat wird er automatisch zu den Pylonen laufen. Nun können wir sie immer weiter entfernt von einander aufstellen und schließlich auch deren Anzahl reduzieren.

 

Variante Stoppuhr für mehr Zeit:

Um die Dauer zu steigern könnt ihr auch einen Timer benutzen. Stellt euer Handy mit einem (Intervall)timer auf eine Zeit, die euer Pferd auf jeden Fall schafft. Rocky soll zum Beispiel 30 Sekunden Schritt gehen am Anfang. Sobald der Timer piepst wird durchpariert. Rocky wird das System schnell verstanden haben, dann können wir den Timer in KLEINEN Schritten länger machen. Unser Pferd wird auf den Timer warten und bis dahin gut mitarbeiten. Um den Timer wieder abzubauen müssen wir dann BEVOR der Timer piepst zu Zone Grün (durchparieren) wechseln.

 

Beide Varianten muss euer Pferd ein paar mal gemacht haben um das Prinzip zu verstehen, es ist also keine "Sofortlösung" sondern eher eine Art Stützräder, die man für eine Zeit benutzt bis man sich sicher genug fühlt es ohne sie zu versuchen. Wie bei den Stützrädern macht man dann erstmal wieder weniger, bis sich alle an die neue Situation gewöhnt haben.

 

Wechselt die Arbeit auf dem Platz ruhig mit Dingen ab, die ihr und euer Pferd richtig gerne macht. Geht weiterhin ausreiten oder macht Bodenarbeit oder was euch sonst noch Freude bereitet.

Das Pferd an die Platzarbeit zu gewöhnen kann, je nach Veranlagung des Pferdes, eine langwierige Angelegenheit sein. Nehmt euch Zeit dafür und erkennt auch die kleinen Fortschritte an.

Das Ende der Arbeit ist die Ultimative Belohnung für euer Pferd. Setzt sie jede Einheit klug ein, steig ab wenn etwas richtig super war! Die Zeit im Sattel spielt dabei keine Rolle.

 

 

Für alle die mit Leckerli arbeiten: Benutzt unbedingt ein Markersignal! Das Pferd kann sich sonst Wahrscheinlich nicht daran erinnern wofür es gerade den Keks bekommen hat. Damit würdet ihr nur das stehenbleiben verstärken und das tun die meisten unserer Platzmuffel ja sowieso gerne ;)